Talkshow von Phoenix-TV /„Zhenhai Ting Feng Lu":
Der Volkstempel (The Peoples Temple), die Branch Davidian und die Om-Lehre der Wahrheit (Aum Shinrikyo) /– alle diesen Sekten haben die Welt in Panik versetzt. Heute sind einige Gelehrte und religiöse Persönlichkeiten zu Gast bei uns: Zhuo Xinping, Leiter des Instituts für Forschung der globalen Religionen der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, Qu Xuewu aus dem Institut für juristische Forschung der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, Xi Wuyi, Wissenschaftlerin am Institut für Forschung der globalen Religionen der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, Luo Weihong, Wissenschaftlerin am Institut für Forschung der Religionen der Shanghaier Akademie für Sozialwissenschaften, Meister Minghai, buddhistischer Abt im Kloster Bolin in der Provinz Hebei, Eileen Barker, Professorin der Abteilung für Soziologie an der London School of Economics and Political Science, Yoshihide Sakurai, Professor der Universität Hokkaido. Sie werden die Sekten analysieren und erklären, wie man ihnen am besten begegnet.
(Moderator Qiu Zhenhai)
Herzlichen Willkommen. Religion ist ein normales Bedürfnis der Menschen. Dennoch: Schwankt dieses Bedürfnis um in den Mystizismus oder in einen Personenkult des Religionsgründers, dann sollte man aufhorchen. Vor kurzem wurde ein Symposium in Shenzhen abgehalten, lassen Sie uns den Blick zuerst darauf werfen.
Vom 6. bis 8. Dezember 2007 hat das Institut für Forschung der globalen Religionen der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften in Shenzhen ein internationales Symposium über den Kult abgehalten. Daran nahmen einige Dutzende Gelehrte und religiöse Persönlichkeiten aus Großbritannien, Japan, Südkorea, Indien, der Ukraine, aus dem Festland Chinas, Hong Kong und Taiwan teil. Beim Symposium hatte man den Hintergrund, die Handlungsweisen von Sekten, besonders die Informationen über einige destruktive Sekten analysiert. Kult und Sekten existieren sowohl in der Geschichte als auch in der Gegenwart. Laut Gelehrten könne man diese Gruppen durch drei Faktoren erkennen: Erstens, die Religionsgründer konzentrieren alle Macht auf sich. Sie behaupten, Sondermissionen und Sonderkenntnisse zu haben, damit die Gläubigen sie anbeten. Zweitens, der Religionsgründer einer Sekte hat die Höchstmacht. Drittens, die Sekten kontrollieren den Geist der Anhänger und fordern sie auf, ihre Zeit, Geld und Kraft für das Ziel der Gruppe zu verwenden. Unter den Sekten entwickeln sich einige destruktive Gruppen, die die Gesellschaft und die Massen verletzen. Sie sind das Kampfziel der Gesetze.
In Bezug auf das Symposium führen wir mit den anwesenden Gelehrten und religiösen Persönlichkeiten eine Diskussion.
An meiner Rechten sitzt Herr Zhuo Xinping, Leiter des Instituts für Forschung der globalen Religionen an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften. Herr Zhuo erhielt im Jahr 1981 den Magistergrad an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, von 1983 bis 1987 doktorierte er an der Universität München. Neben der Arbeit an dem Institut ist Herr Xu zugleich Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Religionsgeschichte.
An meiner Linken sitzt Frau Professor Xi Wuyi. Sie schloss im Jahr 1981 das Studium der Geschichte an der Pädagogischen Universität Beijing ab, von 1991 bis 1992 war sie Gast-Gelehrte auf Einladung des japanischen Außenministeriums und Gastforscherin der Okayama Universität. Nun hat sie ihre Arbeit /„Analyse des Kults - aus der Perspektive der multikulturellen Forschung" vorgelegt.
Neben Frau Professor Xi sitzt Frau Professor Luo Weihong, Forscherin des Instituts für Religion der Shanghaier Akademie der Sozialwissenschaften. In ihrer Arbeit /„Die gesellschaftliche Spannung des Kults" wird die gesellschaftliche Spannung der Sekten in den USA und die Überlegungen und Bemühungen zur Vorbeugung der Bösartigkeit der Sekten analysiert.
Meister Minghai, buddhistischer Abt des Klosters Bolin in der Provinz Hebei. Im Jahr 1991 absolvierte er sein Studium an der Philosophie-Abteilung an der Peking-Universität. Seit 1989 studiert er Buddhismus, im Jahr 1992 ging er ins Kloster und wurde Mönch. Meister Minghai hat ein berühmtes Zitat mitgebracht: Für die traditionellen Religionen sind die destruktiven Sekten falsche Güter mit niedriger Qualität.
Vor allem möchte ich Herr Professor Zhuo fragen: Was ist Kult? Was sind Sekten? Und was sind destruktive Sekten?
(Leiter des Instituts für Forschung der globalen Religionen der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, Zhuo Xinping)
Der chinesische Begriff /„Kult" ist eine Übersetzung aus dem Englischen. Damit werden religiöse Randgruppen bezeichnet, die die Verwirklichung realer Bedürfnisse und konkreter Interessen durch Mystizismus, Anbetung und psychologische Induktion anstreben. Darin liegen zumeist drei Faktoren: Erstens, es gibt mystische Anbetung. Zweitens, sie streben reale und konkrete Interessen an. Drittens, als Randgruppen gehören sie nicht zur Haupttendenz der Religionen.
Wir schenken der destruktiven Wirkung mancher Sekten große Aufmerksamkeit. Was sind die Besonderheiten dieser Gruppen? Wie soll man ihre Besonderheit definieren?
(Forscherin des Instituts für globale Religionen des Instituts für Forschung der globalen Religionen der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, Xi Wuyi)
Sekten sind normalerweise kleine Gruppen mit einfacher Struktur. Sie werden von dem Religionsgründer geleitet. Der Religionsgründer hebt seine persönlichen mystischen Erlebnisse hervor. Die Gruppen betätigen sich geschlossen oder halbgeschlossen. Es gibt deswegen unsichere Faktoren. Sehr wenige entwickeln sich extrem und werden zu destruktiven Gruppen.
Professor Luo, Sie haben die Arbeit /„Die gesellschaftliche Spannung des Kults" vorgelegt. Die Sekten können die Gesellschaft schädigen. Was sind die Beziehungen zwischen den Gruppen und der Gesellschaft? Wie stellt sich diese Spannung dar?
(Forscherin des Instituts für Religion der Shanghaier Akademie der Sozialwissenschaften, Luo Hongwei)
Zunächst wird der Religionsgründer dieser Gruppen üblicherweise nicht gewählt, sondern er ernennt sich selber dazu. Sie behaupten, dass sie göttliche Anweisungen erhalten haben. Eine solche Figur führt zu scharfen Debatten in der Gesellschaft. Die traditionellen Religionen sind entschlossen dagegen. Außerdem laufen manche Sekten den Traditionen, der gesellschaftlichen Moral inklusive, absichtlich zuwider. Es gibt Probleme wie Geldanhäufung, Promiskuität oder Freiheitsentzug der Gläubigen. Das wird von der Gesellschaft kritisiert.
Meister Minghai, Sie haben die destruktiven Gruppen zu falschen Waren deklariert. Ist dies nicht bloß ein Vorurteil der traditionellen Religion? Oder haben Sie die Kernidee eines Gelehrten?
(Buddhistischer Abt des Klosters Bolin in der Provinz Hebei, Meister Minghai)
Ich habe dabei die Theorie des /„religiösen Markts" verwendet. Ich möchte die Massen daran erinnern, dass sie unterscheiden sollen, ob die Religionen frei verbreitet werden und ob der Kult weltweit üblich ist. Für den Buddhismus ist der Kult nämlich nicht fremd. In der Sakyamuni-Zeit gab es in Indien neben dem Buddhismus noch 96 so genannte fremde Sekten. Das waren abergläubige Sekten. Sie hatten ähnliche Themen wie die Religionen. Die Themen sind Fragen auf der höchsten Ebene, auf Glaubensebene und auf der Ebene mysteriöser Erlebnisse. Die destruktiven Sekten, die vom Buddhismus ausgehen, können durch drei Aspekte unterschieden werden. Erstens, was ist das höchste Ideal des Weltalls und des Lebens in ihrer Lehre. Zweitens, welche Moral befürworten sie. Drittens, sind ihre mysteriösen Erlebnisse orthodox oder nicht.
Eben haben wir verschiedene Meinungen gehört. Nun können wir zwei Sorten Sekten unterscheiden: Zum einen sind da die destruktiven Gruppen und zum anderen gibt es die Gruppen ohne destruktivem, oder noch nicht destruktivem Potential. Die Zuschauer interessieren sich nun wohl vor allem für die Frage, warum so viele den Sekten beitreten, egal ob sie destruktiv sind oder nicht.
In der Geschichte gab es viele Sekten. Heute diskutieren wir aber nur über solche seit der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts. Nach dem zweiten Weltkrieg trat die menschliche Gemeinschaft in die Globalisierung. In diesem Prozess tauchen Erscheinungen auf wie der starke gesellschaftliche Wandel, religiöse Vielfältigkeit und Veränderung. Der Kult entwickelte sich unter diesen Umständen. In der Tat ist er die Entfremdung des traditionellen Glaubens. Außerdem muss er in der pluralistischen Gesellschaft seinen Existenzraum finden. In diesem Prozess bilden sich diese kleinen und geheimen Gruppen, die gegen die gesellschaftliche Haupttendenz kämpfen. Wenn dies nicht gewissenhaft behandelt wird, dann führt das zum Konflikt und Widerspruch gegen die reguläre Kultur und die Ordnung der Gesellschaft. Das sind negative Faktoren, welche die Stabilität der Gesellschaft beeinträchtigen.
Der an der Sitzung teilnehmende japanische Gelehrte Yoshihide Sakurai hat in seiner Arbeit geschrieben, dass ein großer Teil der Gläubigen, die eine Gottheit oder ein Idol kniend anbeten, überhaupt keine religiöse Überzeugung haben. Sie kennen manchmal noch nicht einmal ihre Religion besonders gut, wollen sich aber einer so genannten Anbetungsgruppe unterwerfen. Die Frage hierbei ist, ob es dafür psychologische oder gesellschaftliche Hintergründe gibt?
Die Sekten und der Kult sind in der Tat mit dem Modernisierungsprozess eng verbunden. In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts entstanden zahlreiche Gruppen. Die meisten von ihnen in entwickelten Ländern. Viele ihre Anhänger fanden zu ihnen nicht aus einer Armseligkeit. Oft waren sie Intelligente, junge Leute mit hohem Bildungsgrad.
Das ist interessant. Früher hielten wir Sektenmitglieder für dumm. Aber tatsächlich verfügen sie oft über einen hohen Bildungsgrad, eine hohe gesellschaftlicher Position und verdienen auch entsprechend gut. Was bedeutet das? Worin liegt der tiefere gesellschaftliche Hintergrund?
Dieser Fakt lässt sich auf zwei Ebenen interpretieren. Zum einen haben die Sektenmitglieder sowohl geistliche als auch materielle Bedürfnisse, die aber mit dem traditionellen religiösen Glauben nicht identisch sind. Dieser betont das heilige und höchste Ziel, vernachlässigt jedoch konkrete Probleme im Alltagsleben. In Gegenzug versprechen Sekten, geistliche und reale Probleme im Alltag zu lösen. Zum anderen nutzen die Gründer von Sekten diese Mechanismen aus und bezeichnen sich als Menschen mit übermenschlicher Kraft, die geistliche und materielle Probleme sofort lösen können. Daher passen die beiden sofort zueinander und so bildet sich dieser Kult heraus.
Gibt es eine bestimmte Logik darin, dass eine normale Gruppe zu einer mit destruktiver Wirkung wird? Und unter welchen Bedingungen wird sie zur Zerstörung führen?
Religionsphilosophisch kommt es dann zur absoluten Vergötterung der Schöpfer einer Religion, wenn deren Kult ins Extreme fällt. Der eine steht am höchsten und die Gläubigen halten seine Verordnung für die einzige Wahrheit, selbst dann, wenn sie damit Gesetze übertreten. Hat der Schöpfer einer Religion einen schlechten Charakter, wird er Widerstand gegen die Gesellschaft leisten, wenn er von der Gesellschaft kritisiert wird und daher nicht zufrieden ist. Der Schöpfer steht auf der Spitze der Pyramide und die Gläubigen gehorchen ihm nur blind und fallen leicht ins Extreme, was für die Gesellschaft schwere Folgen haben kann.
Hier drängt sich eine Frage auf: Was hält man von Falun Gong, eine Strömung, die vor ein paar Jahren in China entstand und eine Organisation mit destruktivem Charakter ist?
Falun Gong entspricht meiner Meinung nach gerade dem, was Professor Xi gesagt hat. Am Anfang zeichnete sich die destruktive Wirkung dieser Gruppe noch nicht ab. Damals hätte sie auch einfach nur ein Klub für Qigong und Körpertraining sein können. Aber von der Natur des Buddhismus ausgehend, verbirgt sich schon in vielen seinen Aussagen und Aktionen seine Saat mit destruktiver Wirkung. Was ist das für eine Saat? Sie ist die unbegrenzte Übertreibung von seiner Macht und das unerfüllbare Versprechen gegenüber seinen Gläubigen.
Was die Sekte den Gläubigen sagt, ist etwas voller Verschlossenheit und könnte den Gedanken der Gläubigen kontrollieren. Von einem solchen Charakter bestimmt, strebt eine Gruppe nach der Macht, wenn die Zahl der Gläubigen und der Einfluss auf die Gesellschaft zunimmt. Daher kommt es häufig zum Konflikt zwischen solchen Gruppen und der Gesellschaft. Am Anfang sind solche Konflikte noch niederschwellig und finden innerhalb der Familie des Gläubigen statt, wenn er kritisiert wird und sich die Familie ihm widergesetzt. Ab einer bestimmten Phase verwandelt es sich zum Konflikt zwischen seiner Gruppe und der ganzen Gesellschaft. Diese Entwicklungslogik wird in einem Buch über Buddhismus anschaulich dargestellt.
Vielen Dank. Wir haben den Charakter der destruktiven Sekten kennen gelernt und werden uns nun über die psychologischen und gesellschaftlichen Hintergründe und die Position der einzigartigen Gruppe Falun Gong unterhalten. Machen wir eine kurze Pause und schauen, wie die ausländischen Gelehrten diese Frage sehen.
Willkommen zurück in unserem Programm. Es kommen auch viele ausländische Gelehrten zu dem International Academic Forum on Cult in Shenzhen. Wir wollen gerne ihre Meinungen hören.
In den Diskussionen zieht die Frage zum destruktiven Kult die höchste Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich. Zwar gibt es akademische Differenzen und Unterschiede der Begriffe unter allen Gelehrten, aber in Bezug auf den Kampf gegen den destruktiven Kult sind sich die Gelehrten und Religiösen aller Welt einig.
(Leiter des Zeitschriftenverlags in Südkorea /„Religion und Irrglaube" Lee Dae bokv)
Korean juridical associations Presidents of research Christianity heresy and false religion countermeasure agreement association hat am 19. Juli 2007 alle Fachleute in Südkorea versammelt und Falun Gong zur totalen Irrlehre erklärt. Wir haben umfassende Studien und Forschungen an Falun Gong in Südkorea in mehr als vier Jahren geführt und sind auf dieser Grundlage zu dieser Schlussfolgerung gekommen. Auch wenn Falun Gong das Gegenteil behauptet: Wir meinen, dass es eine Irrlehre ist.
Eileen Barker, Professorin der Abteilung für Soziologie an der London School of Economics and Political Science, studiert seit Jahren Fragen rund um Sekten. Sie gibt uns ein Interview.
Vielen Dank, Frau Professor Barker! Wie allen bekannt ist, haben sich die Sekten seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts in allen Ländern schnell verbreitet, darunter auch viele mit destruktiver Wirkung. Wie ist das denn in Europa?
(Eileen Barker: )
In Europa gibt es ebenfalls dieses Phänomen. Von den 60er bis 70er Jahren des letzten Jahrhunderts sah man die Entwicklung der Sekten und erlebte, wie immer mehr Menschen wahnsinnig werden konnten. Aber in der Tat sind nicht so viele Leute Sekten beigetreten und die Situation war nicht so übertrieben, wie wir sie damals beschrieben haben. Wenige Leute hielten an ihrem Glauben über lange Zeit fest. Viele von ihnen traten schon nach einiger Zeit wieder aus der Gruppe aus. Aus verschiedenen Gründen entstanden dann zahlreiche Bewegungen gegen den Kult. Unter diesem Druck haben Sekten begonnen, ihre Aktionen heimlich durchzuführen, was eine geheimnisvolle Stimmung erzeugt hat.
Ich finde es interessant, dass Sie Geheimaktionen erwähnen. Was wir im Alltag hören, ist meistens die destruktive Wirkung der Sekten. Die Oder of the Solar Temple in Frankreich, die Branch Davidian, der Volkstempel (The Peoples Temple) in Amerika und die Om-Lehre der Wahrheit (Aum Shinrikyo) in Japan: Sie alle zeigen ihre destruktive Wirkung. Was sind die psychologischen Motive der Gläubigen, die zum Kult kommen, egal, ob diese Gruppen eine destruktive Wirkung haben oder nicht? Und haben sie wirklich den Glauben an eine derartige Religion?
Die meisten Gläubigen, die solchen Gruppen beitreten, haben meines Erachtens wenigstens für kurze Zeit diese religiöse Überzeugung. Aber die Zahl der Teilnehmer an den kultischen Aktionen mit zerstörender Wirkung ist nicht so groß wie wir geglaubt haben. Ihre Zahl und ihre Aktionen sind doch sehr begrenzt. In England sind es etwa 1000 Gruppen und weltweit ein paar Dutzende Tausende.
Sie haben den Glauben erwähnt. Wir wissen bis jetzt nicht genau, welche gesellschaftlichen Hintergründe die Gläubigen haben. Haben Sie darüber einmal eine Studie durchgeführt? Gibt es neben den psychologischen Motiven auch noch gesellschaftliche Gründe, die zu ihrer Teilnahme an dem Kult führen könnten?
Nach mehr als dreißigjähriger Forschung bin ich zu folgendem Ergebnis gekommen: Die Motive sind ganz unterschiedlich. Es gibt verschiedene Gründe für den Beitritt in Sekten. Aber was alle Gläubigen gemeinsam haben, ist die Unzufriedenheit mit ihrem Zustand und ihrem Leben. Deswegen suchen sie Trost in einer jenseitigen Welt. Sie empfinden ihr Leben als leer und sehen keine Zukunft. Sie wollen ihr Potenzial ausschöpfen, sich verewigen, Theologie studieren, etwas Immaterielles anstreben oder an einen besseren Ort gelangen. All diese Bestrebungen können geistlicher aber auch materieller Natur sein. Ein Phänomen ist in diesem Zusammenhang besonders interessant /– und wir finden dieses sowohl bei den traditionellen Religionen aber auch in den neuen Glaubensgruppen in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in westlichen Ländern. So wurden immer mehr Weiße und Leute aus der Mittlerschicht in solche Gruppen aufgenommen. Weniger waren Schwarze und Arme betroffen. Allgemein gesagt sind Sekten für junge Leute mit hoher Bildung und guter Familienstimmung besonders attraktiv.
Das ist eine sehr interessante Erscheinung. Warum gibt es auch in China in manchen destruktiven Kulten Teilnehmer mit hoher Ausbildung und gutem Einkommen? Anders als wir erwartet haben, ist Langeweile und Hoffnungslosigkeit normalerweise eher unter Menschen zu finden, die gut ausgebildet sind. Die Menschen mit hoher Ausbildung und gutem Einkommen treten oft in solche Kulte ein. Haben Sie vielleicht Untersuchungen über diese Erscheinung gemacht? Was für Gründe liegen dahinter?
Ja. Ich habe auch dies untersucht. Ich meine, meistens haben die Leute, die in einen Kult eintreten möchten, keine materiellen Mängel. Ihre Bedürfnisse an materiellem Vermögen sind auf einem relativ hohen Niveau gestillt. Sie müssen sich nicht über Kleidung und Nahrung sorgen. Darüber hinaus haben sie Zeit und Möglichkeit, auch Bedürfnisse auf einem höheren Niveau anzustreben. Dies sind nichtfinanzielle Bedürfnisse. Denn für viele Leute ist das Geld kein Problem mehr. Wahrscheinlich haben sie viel Geld und Zeit.
Herr Professor Yoshihide Sakurai aus Japan erzählt uns nun, wie man in Japan auf Kulte reagiert. Dabei interessieren wir uns insbesondere für die Aum-Sekte.
Vielen Dank, Herr Doktor Yoshihide Sakurai. Wir wissen, dass sich die Kulte der ganzen Welt seit dem letzten Jahrhundert sehr schnell entwickelt haben. Wie ist es denn in Japan? Wir schenken der Entwicklung der destruktiven Kulte in Japan eine große Aufmerksamkeit.
(Yoshihide Sakurai, Professor an der japanischen Universität Hokkaido)
Wenn wir von der Aum-Sekte reden, steht immer der Saringiftgasanschlag in der U-Bahn im Jahr 1995 im Vordergrund. Deswegen glauben wir, dass diese Sekte eine Irrlehregruppe ist. Die japanische Regierung hat sie verboten. Aber ihre Anhänger existieren und operieren immer noch. Es gibt noch eine andere Sekte, die in Japan viele Probleme verursacht hat. Sie betätigt sich in der Wirtschaftskriminalität und ihre Einnahmen liegen bereits bei etwa 9,5 Milliarden japanischen Yen. Ein anderes Problem ist, dass viele Kulte an den Schulen Verbreitungsveranstaltungen ausüben.
Ich habe bemerkt, dass Sie das Wort /„Irrlehregruppe" benutzt haben. Darf ich Sie fragen, ob es dafür in Japan eine Definition gibt? Bezeichnet das Wort wie in Europa und Amerika den Kult, und gibt es einen weiteren, umfassenderen Begriff dafür?
Konkret gesagt gibt es in Japan zurzeit elf Gemeinschaften, die man als /„Kult" bezeichnet kann.
Welche gesetzliche Maßnahmen hat die japanische Regierung getroffen, um auf die destruktiven Kulte zu reagieren?
Ehrlich gesagt haben wir kein Gesetz, das sich speziell auf dieses Problem richtet. Wenn die Kultanhänger gegen das geltende Recht verstoßen, werden sie nach dem Strafgesetz bestraft. Aber im Fall der Aum-Sekte konnten wir ein Gesetz über die Gemeinschaftsregelung anwenden. Dies geht deswegen, weil die Sekte tatsächlich der Gesellschaft geschadet hat. Deswegen untersuchen beziehungsweise überwachen die staatliche Organe für Sicherheit die Sekten nach dem Gesetz über Gemeinschaftsregelung.
Nachdem wir die Meinungen von einem europäischen und einem japanischen Experten gehört haben, kehren wir zurück. Nun haben wir vor Ort einen Rechtsexperten, Herrn Professor Qu Xuewu, den Chef der Strafgesetzabteilung des juristischen Forschungsinstituts der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften. Er ist Spezialist im Bereich der Strafgesetztheorie. Herr Professor Qu hat eine Arbeit mit dem Titel /„Vergleichende Studie der Mechanismen bei der Kriminalitätsbekämpfung von destruktiven Kulten" (/„Comparative Study on Criminal Restraining Mechanisms against Destructive Cults") vorgelegt. Guten Tag, Herr Professor Qu. Nun haben wir von unserer bisherigen Diskussion bereits einige klar unterscheidbare Konzepte bekommen. Eins davon ist Religion, was ja eigentlich sehr gesund ist. Denn sie ist eine gemeinsame Bestrebung der Menschen seit Urzeiten. Ein anderes Konzept ist der Kult und noch ein anderes ist der destruktive Kult. Der letztere ist das, was wir vermeiden wollen und das, wogegen wir etwas unternehmen sollten. Herr Professor Qu, wie soll man Ihrer Meinung nach, als ein juristischer Experte, solche destruktive Kulte behandeln?
(Qu Xuewu, Chef des juristischen Forschungsinstituts der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften)
In China hat man folgende Maßnahmen getroffen. Erstens handelt man nach dem Verwaltungsgesetz. Wenn man einen destruktiven Kult bestätigt hat... natürlich ist /„destruktiver Kult" eine religiöse Bezeichnung, in der juristischen Sprache sagt man Irrlehregruppe. Wenn man also eine Irrlehregruppe bestätigt hat, wird sie gemäss dem Verwaltungsgesetz verboten. Wenn der Schöpfer oder die Hauptkräfte einer Irrlehregruppe kriminell auffallen und damit das Strafgesetz verletzen, werden sie den Verordnungen des Strafgesetzes nach bestraft. Zum Beispiel wenn jemand Vermögen durch die Irrlehre des Kultes erschwindelt hat, wird er als Betrüger bestraft. Auch der Fall, dass Frauen durch eine Irrlehre ausgenutzt und vergewaltigt werden, wird gemäss den Vorgaben des Strafgesetzes behandelt.
Was ist die Tendenz bei der juristischen Behandlung gegenüber Falun Gong?
Da Falun Gong in China dem Gesetz nach als Irrlehregruppe bestätigt worden ist, hat man sie bereits verboten. So kann sie nicht mehr hochtrabend existieren, sondern nur noch im Untergrund wirken. Hier müssen wir schädlichen Bemühungen hemmen. Diese finden auf zwei Ebenen statt. Erstens ist da die Vergrößerung der Organisation und zweitens sind da die häufigen organisierten Aktivitäten. Die Vergrößerung wird hauptsächlich durch das Verbot der Organisation gelöst. Die Teilnehmer, die in der Irrlehregruppe illegal tätig sind, werden dem Strafgesetz nach bestraft. Mit der Bestrafung möchten wir eine ermahnende Wirkung auf die ganze Gesellschaft ausüben.
Herr Professor Zhou, nun haben wir sowohl theoretisch diskutiert als auch internationale Hintergründe herangezogen. Was meinen Sie zu Falun Gong?
Da muss man die positiven Elemente der ganzen Gesellschaft mobilisieren und die Gesellschaft führen. Zum Beispiel soll man die allerletzte Fürsorge in der Irrlehre in eine realistische Fürsorge umleiten. Im Alltagsleben und in der Gesellschaftsordnung soll es eine richtige Leitung, eine juristische Stabilität und eine positive Einstellungen der Menschen geben. Nur dann kann unsere Gesellschaft stabil und harmonisch sein.
Meister Ming Hai, es gibt zurzeit noch einige Leute, die von den destruktiven Kulten verblendet werden. Wie kann man solchen Leute dabei helfen, wieder klar zu sehen?
Wenn wir jetzt über Falun Gong reden, müssen wir zwei Dinge unterscheiden: Li Hongzhi ist nicht gleich zu behandeln wie seine einfachen Anhänger. Viele Anhänger sind in der Wirklichkeit Leidtragende. Manche sind aber immer noch vernarrt und merken nicht, dass sie selbst Opfer sind. Deswegen glaube ich, dass die Fürsorge an erster Stelle stehen sollte. Zugleich muss man die Gerechtigkeit unterstützen und die Irrlehren vermeiden.
Frau Professor Xi, mit historischer und globaler Sicht kann man sagen, dass die Kulte, egal ob sie destruktiv oder nicht sind, sowohl in Gegenwart als auch in der Zukunft als eine Erscheinung langfristig existieren werden. Meine Frage ist: Wie soll man mit diese Realität umgehen und wie kann man dieses Problem rational und wissenschaftlich behandeln?
Mit der Integrationsentwicklung der globalen Wirtschaft sind die Modernisierungsschritte immer schneller geworden. Dies führt zu Umwälzungen in der Gesellschaftsstruktur. Die pluralistische Kultur hat verschiedenen Nebenkulturen lockere Existenzräume angeboten. Deswegen werden Kulte als eine nebenkulturelle Erscheinung langfristig existieren. Die Gelehrten in den Entwicklungsländern sollen insbesondere das Problem beachten, dass die destruktiven Kulte den Entwicklungsländern größere Gefahren als den entwickelten Ländern bringen. Denn das Sozialabsicherungssystem in den Entwicklungsländern befinden sich noch im schrittweisen Aufbau und der gesellschaftliche Gefahrindex ist höher als derjenige der entwickelten Länder. Deswegen sollen Gelehrte in den Entwicklungsländern die destruktiven Elemente der Kulte mehr beachten und mit effektiven Maßnahmen ihre destruktive Fähigkeit reduzieren.
Wie ich am Anfang unseres Programms gesagt habe, ist Religion ein normales und gesundes geistiges Bedürfnis der Menschen. Dennoch: Schwankt dieses Bedürfnis in den Mystizismus oder in einen Personenkult des Religionsgründers, wird es problematisch. Kult ist ein Beispiel dafür. Wenn ein Kult destruktiv für die Gesellschaft ist, geht es nicht mehr nur um das religiöse oder geistige Bedürfnis. Man muss es nach dem Gesetz behandeln. An diesem Punkt gibt es einen deutlichen internationalen Konsens. Das können wir im Alltagsleben als Methode oder Standard bei Beurteilung eines Kultes benutzen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Das war es für heute und schalten Sie nächsten Montag wieder ein!